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Hier gibt es Artikel von mir, die in der „Norddeutschen Rundschau“ erschienen sind. Den Auftakt macht ein Portrait des – leider verstorbenen – Malers Hans-Peter Wirsing aus Glückstadt. Und ja, ich weiß, dass ich darin Sansibar und Madagaskar verwechselt habe…

Die Freiheit auf See

Glückstadt (bt) Die Wegbeschreibung ist so schlicht wie vielsagend: „Kommen Sie vorbei, ich wohne am Hafen, das Haus hat einen grünen Giebel.“ Hans-Peter Wirsing könnte vermutlich überall wohnen – solange der Fluchtweg über die offene See vor dem Fenster liegt. Der eigentliche Weg zum Maler Hans-Peter Wirsing führt über das Meer, von allen Häfen dieser Welt, von denen er einen guten Teil gesehen hat, ist er dennoch seinem Geburtsort Glückstadt treu geblieben. Die niedrigen Balkendecken des alten Hauses erinnern eher an eine Kajüte, in den Regalen stapelt sich die Geschichte der Seefahrt, Schiffsmodelle geben Einblicke in die Feinheiten der Takelage – die See ist überall, auch in Glückstadt und vor allem in Hans-Peter Wirsing. „Man sagt ich kann sehr gut Wasser malen, westlich der Azoren habe ich einmal die Mechanik des Meeres entdeckt,“ spinnt Wirsing das Garn des alten Fahrensmannes und setzt Kaffee auf: „Vom Kilimanscharo – den habe ich mitgebracht als ich das letzte mal auf Madagaskar war.“

Geschichten und Geschichte: „Madagaskar wurde ja damals gegen Helgoland getauscht. Auch eine schöne Insel, wenn die Tagestouristen weg sind.“ Für einen Seefahrer ist die Welt immer klein: „Auf Barbados habe ich einen Kümo-Kapitän aus Glückstadt getroffen, in der Karibik ist die Auftragslage besser, wer da hart arbeitet, hat noch Chancen.“

Harte Arbeit gehört dazu, für Pfusch hat Wirsing nur Verachtung übrig: „Wenn zu viele Sachen in einem Bild nicht stimmen, kann ich sauer werden – schade um die schöne weiße Leinwand.“ Er hat sein Handwerk gelernt: der ausgebildete Gebrauchsgrafiker malte Landkarten, war Gerichtszeichner beim Baader-Meinhof Prozess und machte Werbung als die noch Reklame hieß und auf Papier entstand: „1981 habe ich mir dann geschworen, mich nur noch den hehren Künsten zu widmen.“ Was dabei entstand trägt noch immer den klaren sauberen Strich des Grafikprofis: „Am Anfang steht die Zeichnung, da geht kein Weg daran vorbei. Die Fähigkeit zu Zeichnen muss laufend trainiert werden, sonst rostet sie ein.“ Den Beweis liefern zahllose Skizzen, kleine Entwürfe für große Bilder, in Büchern, auf dem Tisch, auf dem Fußboden – überall. Die Themen fasst der herumliegende Katalog einer Ausstellung zusammen: Meistens Maritim. Von Postkarten-Idyllen und Shanty-Romantik findet sich dabei keine Spur. Ausgehend von den alten holländischen Meistern hat Wirsing seine eigene Bildersprache entwickelt: Wracks träumen von besseren Zeiten, Inseln schweben am Himmel, die kaiserliche Marine schlägt die Seeschlacht vor Helgoland in einer Suppenschüssel – „Salzwasser-Dali“ hat ein Kritiker den Künstler genannt. Schönheit findet er im Verfall: Erst als Wrack zeigen Schiffe ihr Innenleben, am Ende der Reise wird die kunstvolle Konstruktion der Schiffbauer wieder sichtbar, die Idee wird von Wind und Wellen freigelegt. Hans-Peter Wirsing ist ein Träumer, harmlos ist er dabei nie: Immer ist da auch eine wehrhafte Lust am Provozieren, am Zurückschlagen. Gerade hat der Maler, der auch schon für Greenpeace an der Ruderpinne saß, eine Serie zum Pallas-Unglück fertig gestellt. „Ein Mitarbeiter des Schiffartsamtes musste ein Bild von mir auf Anordnung seines Dienstherren aus dem Büro entfernen“ – Wirsing zeigt Wirkung. Auch der fast schon journalistische Ansatz stammt von den großen holländischen Vorbildern: „Vermeer war bei vielen Seeschlachten dabei, nur so konnte er die Details einfangen.“

Ebenfalls holländischen Ursprungs ist eine fast vergessene Kunstform, die bei Wirsing eine zweite Blüte erlebt: Aus bemalten Kacheln, die glasiert und bei 1040 Grad gebrannt werden, entstehen zum Teil mehrere Quadratmeter große Bilder. Den Anstoß gab ein Fehlschlag: „In Portugal wird noch viel mit dieser Technik gearbeitet, und ich wollte eins meiner Bilder auf Kacheln übertragen lassen. Dass ging allerdings völlig in die Hose – die haben alle möglichen Ausschmückungen eingebaut.“ Nach langen Versuchen beherrscht Wirsing die Technik heute perfekt, die Ergebnisse zieren Büros, Gaststätten und Amtsstuben. Auftragsarbeit – Wirsing wäre allerdings nicht Wirsing, wenn er sich auf behagliche Kachelofen-Motive beschränken würde: Auch in das scheinbar harmlosen Material stichelt er kleine Widerhaken, die unter der glatten Oberfläche auf einen aufmerksamen Betrachter warten: „Da lasse ich mir nicht reinreden – eine Zensur findet nicht statt.“

Fürs Foto macht sich Wirsing an die Arbeit: Wasserfarben, ein Schiffswrack, eine Insel, das Meer…Die gleichen Motive, der gleiche Traum, ein immer wiederkehrender Versuch der Sehnsucht auf den Meeresgrund zu gehen und das eine Bild zu malen, das alles sagt? „Kann sein.“ Langsam treibt sein Blick davon und verliert sich am gemalten Horizont: „Die Freiheit auf See, ist immer auch die Freiheit des Einzelnen.“


OK, ich habe nicht gedient. Aber am jährlich stattfindenden Marsch um die Wackener Nachbargemeinde Bokelrehm durfte ich auch als Zivilist teilnehmen.

Blau gewinnt immer

BOKELREHM (bt) Der Feind kam aus der Luft: Im Raum Wacken/Schenefeld haben militante Luftlandetruppen Stellung bezogen, Gebäude gehen in Flammen auf, es kommt zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung. Die Lage, die sich die Reservistenkameradschaft Holstenniendorf für ihren traditionellen „Marsch um Bokelrehm“ ausgedacht hat, ist ernst, die Stimmung im Gefechtsstand gedrückt. Schuld ist allerdings nicht die Übermacht der „roten“ Streitkräfte denen sich die „blauen“ Verteidiger zu stellen haben. „Die Bundeswehr hat uns komplett im Stich gelassen“, empört sich Frank Zibull, Hauptgefreiter der Reserve und Vorsitzender der Reservistenkameradschaft Holstenniendorf über die überraschend abgesagte Unterstützung durch das zuständige Verteidigungsbezirkskommando 11. Krankenwagen und Schlauchboot, Übungshandgranaten und andere fest eingeplante Ausrüstung fallen damit auf einen Schlag aus, einziges Zugeständnis der Bundeswehr ist eine UTE – eine Uniformtrageerlaubnis. „Es werden Köpfe rollen“, verspricht Zibull und demonstriert Kampfgeist: „Wir werden den Marsch trotzdem durchführen.“ Einige rechtliche Hintergründe sind schnell geklärt. Die angekündigte DVag (Dienstliche Veranstaltung) ist nun eine VVag (Verbandsveranstaltung) – damit gibt es für die Einsatzkräfte im Feld immer noch einen vollen Versicherungsschutz. Für einen deutlichen Motivationsschub sorgt die Materialübersicht: Mit Hilfe der teilnehmenden Reservistenkameradschaften aus Itzehoe und Kellinghusen wurden Schlauchboot und Übungsgranaten in letzte Sekunde beschafft, die Truppe ist besser gerüstet als erwartet.

Dass der Gegner derweil nicht untätig war, zeigt ein schneller Blick durchs Fernglas – auf einer nahen Anhöhe ist ein knappes Dutzend Panzer deutlich auszumachen. Für deren Einsatz zeichnet Jörg Büch verantwortlich: Der leidenschaftliche Modellbauer hat eine maßstabsgetreue Auswahl militärischen Gefährts zur näheren Bestimmung auffahren lassen. Dank Pjotr Kalembach, einem russlanddeutschen Reservisten werden selbst betagte Ostblock-Panzer mühelos identifiziert, die Bundeswehr hält mit Marder, Leopard und Luchs dagegen. Einige Marschminuten später werden die im Lagebericht angekündigten Übergriffe auf Zivilisten bittere Realität. Ein spielendes Kind – lebensecht dargestellt von Frank Zibulls 13-jährigem Sohn Dennis – wird von einem Scharfschützen aus dem Hinterhalt skrupellos niedergeschossen. Der Knall und gellende Schmerzensschreie lassen die Truppe blitzartig Deckung suchen, in „tiefster Gangart“ wird zur Rettung des Jungen ausgerückt. „Der Scharfschütze lauert immer noch irgendwo da draußen“, warnt Frank Zibull. Kaum ist die Warnung ausgesprochen, peitscht ein Schuss – der Punktabzug für den unvorsichtigen Rettungstrupp wird säuberlich notiert. An der Versorgung des Verwundeten gibt es dagegen nichts auszusetzen, mit Druckverband und Schocklage ist die Lebensgefahr erst einmal gebannt. Doch wie soll das Opfer unter Scharfschützenbeschuss geborgen werden? Die Truppe schwankt zwischen „tiefster Gangart“ und „Attacke rennen“. Zibull sorgt für erleichtertes Aufatmen: Da Krankenwagen und Trage fehlen, ist der Verwundetentransport ersatzlos gestrichen.

Die unübersichtliche Gefechtslage lässt mittlerweile einen Überblick von höherer Warte geraten erscheinen, das Wackener Silo ist dafür wie geschaffen. 183 Stufen später breitet sich die Landschaft wie ein Teppich in der Tiefe aus, markante Orientierungspunkte werden mit den Koordinaten der Karte abgeglichen. Doch was verbirgt sich hinter den verdächtigen Zeltbahnen am Ortsrand – der Feind? Ein Ortskundiger gibt Entwarnung: Das Zeltlager ist zivil, ein harmloses Pfadfindercamp. Das militärische Geschehen holt die Reservisten allerdings noch früh genug ein – kaum wieder am Boden, gilt es den verschanzten Gegner mit Handgranaten zu bekämpfen. Während die Übungsgranaten von einer Anhöhe ins abgesteckte Zielgebiet fliegen, haben die Punktrichter am Rande des Schlachtfelds Stellung bezogen. Campingstühle sorgen für komfortable Manöverbeobachtung, von der die mittlerweile schweissnassen Streitkräfte vorerst nur träumen können. Gleich an der nächsten Gefechtsstation droht allerdings mehr Abkühlung als der Truppe recht ist: Ein Teich muss im winzigen Ersatzschlauchboot überquert werden, am anderen Ufer steht eine Druckspritze für die anschließende Feuerlöschübung bereit. Zu einfach soll das Ganze allerdings nicht werden, Paddel sind im Übungsplan nicht vorgesehen. Während vorsorglich Handys und Uhren abgelegt werden, zeigt der Trupp Schnoor/Nordmann echten Pioniergeist. Zwei herumliegende Bretter werden als Paddel dienstverpflichtet, das Schlauchboot jagt mit schäumender Bugwelle hin und zurück. Der Mann an der Stoppuhr ist beeindruckt: „Man muss sich eben nur zu helfen wissen – die anderen haben alle mit den Händen gepaddelt.“

Nach einem Zielschießen mit der Druckspritze droht an der letzten Manöverstation ein Beschuss der gänzlich anderen Art. Im Keller der von außen friedlich anmutenden Gaststätte „Waldesruh“ hat sich laut Übungsszenario der Feind verbarrikadiert. Am Gefahrenpotential des sich anbahnenden Endkampfes Rot gegen Blau lässt die Lagebeschreibung keinen Zweifel: „Mit Schusswechsel ist zu rechnen.“ Und das, zeigt sich wenig später, ist keine leere Warnung. Kaum sind die Reservisten durch die von einigen arglosen Zivilisten frequentierte Gaststube in den Keller vorgedrungen, fallen auch schon die ersten Schüsse. Die allerdings, werden nicht im wilden Feuergefecht, sonder ganz gesittet in einem rein internen Wettkampf auf dem Luftgewehrschießstand des „Waldesruh“ abgegeben. Und der Feind? Was ist nun mit dem marodierenden, brandschatzenden Luftlandetruppen? Sind sie geschlagen – oder gar noch irgendwo da draußen? „Man braucht einfach ein Szenario, um die einzelnen Stationen realistisch zu verbinden“, wiegelt Zibull ab, während erste Vorbereitungen für einen Grillabend anlaufen. Hoffnungen auf einen Sieg, verrät er mit einem Schmunzeln, hätten sich die imaginären roten Streitkräfte allerdings auch gar nicht erst zu machen brauchen: „Das ist eben so bei einer Übung: Blau gewinnt immer.“


Auch die norddeutsche Tiefebene bleibt von Verbrechen nicht verschont. Der Kürbisklau von Kaaksburg wurde nie aufgeklärt.

Der Kürbisklau von Kaaksburg

KAAKSBURG (bt) Schön sind sie. Leuchtend orange, gelb und grün, lecker als Suppe und Gemüse oder einfach nur eine Zierde – die Kürbisse von Erna Tietkens. Und die Gurkengewächse scheinen sich im Garten der Kaaksburgerin ausgesprochen wohl zu fühlen: „Die haben sich gewaltig vermehrt“, berichtet die Rentnerin vom Ergebnis ihrer ersten Aussaat, an dem sich auch mit zunehmendem züchterischen Fingerspitzengefühl kaum etwas änderte: „Es werden immer zuviel.“ Da auch der größte Kürbisfreund bei Jahreserträgen von bis zu 600 Stück an die Grenzen der Dekorations- und Einkochkapazitäten stößt, entschloss sich Erna Tietkens zum Verkauf. Der Plan schien perfekt: Die liebevoll gehegten Kürbisse kämen in gute Hände und ein kleiner Zuschuss für die übers Jahr angesparte Urlaubskasse sollte auch noch herausspringen.

Also stellte sie ein Hinweisschild an die 50 Meter entfernte Durchgangsstraße und dekorierte gleich noch eine verlockende Auswahl ihrer Produkte hinzu – und damit begann der Kaaksburger Kürbisklau. „Die lagen kaum zwei Tage, dann waren sie weg“, erinnert sich Erna Tietkens an den Anfang einer langen Diebstahlserie. Vorsichtiger geworden, drapierte sie nach einigen schlechten Erfahrungen nur noch Kürbisse mit leichten Mängeln wie Schneckenfraß oder Druckstellen ums Schild – vergebens: „Die haben sie auch geklaut.“ Mit ihren nächtlichen Diebestouren zeigten sich die Täter dabei so kriminell wie knauserig: Für gerade einmal 50 Cent pro Stück hätten sie sich im Garten der Erzeugerin ganz legal absolut makellose Zierkürbisse aussuchen können.

„Zuerst habe ich gedacht, dass vielleicht Kinder die Kürbisse wegnehmen und war noch nicht einmal so ärgerlich“, beweist Erna Tietkens einen Langmut, der allerdings nicht lange vorhalten sollte. Nach dem zehnten Diebstahl der Saison sann sie entnervt auf Abhilfe und verfiel auf eine ungewöhnliche Idee. Mit Hilfe ihres Sohnes und einer Leiter wuchtete sie einen Riesenkürbis auf das Dach eines mehr als zwei Meter hohes Trafohäuschens am Straßenrand. Um eine Verkehrsgefährdung durch Kürbisschlag auszuschließen, wurde das medizinballgroße Monstrum noch mit einigen Ziegelsteinen gesichert – damit hoffte Erna Tietkens dem Zugriff der Langfinger endgültig ein Ende gesetzt zu haben. Die Hoffnung hielt genau drei Tage.

„Und diesmal habe ich mich wirklich geärgert“, sagt sie beim Blick auf das kürbislose Trafohäuschen, auf dessen Dach nur noch die Ziegelsteine an den leuchtend orangen Werbeträger erinnern. Ein Dummer-Jungen-Streich oder eine Mutprobe strafunmündiger Täter können klar ausgeschlossen werden – für Kinder wäre das Häuschen zu hoch und der Kürbis zu schwer gewesen. Selbst kräftige Männer müssen einige Strapazen auf sich genommen haben, um die Beute zu bergen und ins Fluchtfahrzeug zu verladen. Der Wert der Sore: Vier Euro.

Weit schmerzlicher als der finanzielle Verlust ist so die rein menschliche Enttäuschung über die scheinbar unaufhaltsamen Diebstähle. Nach dem jüngsten Vorfall hat der Kaaksburger Kürbisklau nun endgültig ein Ende, die farbenfrohe Dekoration am Straßenrand allerdings auch – Erna Tietkens hat aufgegeben: „Dafür, dass meine Kürbisse sowieso wieder gestohlen werden, mache ich mir die Mühe nicht mehr.“


Noch mehr Verbrechen. Auch die Meerschweinchendiebe befinden sich bis heute auf freiem Fuß.

Nagernapping in Horst

HORST (bt) „Da waren sie drin!“ Nicole Lenkeit zeigt ratlos auf einen leeren Maschendrahtkäfig in ihrem Garten. Elf männliche Meerschweinchen hatte die Hobbyzüchterin aus Gründen der Geburtenkontrolle im separaten Freilandgehege untergebracht – nun sind die Tiere über Nacht spurlos verschwunden. „So etwas ist mir noch nie passiert, warum klaut jemand ausgerechnet Meerschweinchen?“ wundert sich die Tierfreundin, die auf ihrem abgelegenen Grundstück bei Horst einen kleinen Privatzoo aus Ponys, Hunden, Katzen, Kaninchen, einem Esel, einer Ziege und eben auch Meerschweinchen hält. Während die anderen Tiere frei auf der Wiese herumliefen, waren die eingesperrten Meerschweinchenböcke vermutlich eine leichte Beute – gegen den diebischen Zugriff in ihren Käfig hatten sie keine Chance. Neben krimineller Energie zeigten die unbekannten Täter dabei auch noch eine gehörige Portion Nervenstärke. „Vorsicht – er könnte schlechte Laune haben!“ warnt ein mit einem zähnefletschenden Dobermann verziertes Schild auf der Einfahrt. Nicole Lenkeits Dobermannrüde „Jack“ zeigt zwar ein etwas sonnigeres Gemüt, generell aber keinerlei Neigung unbefugtes Betreten zu tolerieren. „Der Hund war im Haus, ein Auto hätte er aber sicher gehört. Die müssen zu Fuß oder mit dem Fahrrad gekommen sein“ ist Nicole Lenkeit überzeugt.

„Jack“ selbst oder andere vierbeinige Täter, scheiden nach dem bisherigen Stand ihrer Ermittlungen als Verdächtige aus: Sie wären wohl kaum in der Lage gewesen erst ihre Opfer völlig rückstandsfrei zu verschlingen und anschließend den schweren Deckel wieder auf das Gehege zu legen. Auch ein Ausbruch der Käfiginsassen kann weitgehend ausgeschlossen werden, weder Nagespuren noch Tunnelgrabungen deuten auf eine Flucht hin. Die wäre vermutlich ohnehin erfolglos gewesen – „Wenn mir mal ein Kaninchen weggelaufen ist, habe ich einfach meine Hunde auf die Spur gesetzt, die haben es dann schnell wiedergefunden,“ berichtet Nicole Lenkeit. Allerdings, räumt die Züchterin ein, habe ein gewisser Übereifer des Suchtrupps dabei schon einmal zu letalen Konsequenzen für den Ausbrecher geführt: „Da gab es dann Kaninchenbraten.“

Im Fall der Meerschweinchen blieben selbst mehrere Schnüffeleinsätze der besten Spürnasen erfolglos, die Nager scheinen im wahrsten Sinn des Wortes spurlos verschwunden zu sein. Umso rätselhafter wird das Nagernapping, weil es kein Einzelfall ist: Erst vor wenigen Tagen verschwanden sieben Meerschweinchen auf ebenso ungeklärte Weise in Schlotfeld (Die Rundschau berichtete). Die Parallelen sind frappierend: Die Tiere wurden in einem Freigehege gehalten, waren ebenfalls ausschließlich männlich, wie in Horst fehlt auch hier jede Spur. Für den naheliegenden Verdacht, dass es sich um eine kreisweit operierende Bande handeln könnte, gibt es zur Zeit noch keine offizielle Bestätigung. Da der rein materielle Schaden – Meerschweinchen werden unter Freunden für rund zehn Mark gehandelt – vergleichsweise gering ist, haben die Bestohlenen bisher darauf verzichtet, die Polizei einzuschalten.

Auch der Tierschutzverein steht vor einem Rätsel: Bei Hunden und Katzen wären derartige Vorkommnisse keine Seltenheit, erklärt der Kreisvorsitzende Holger Sauerzweig-Strey, Meerschweinchen seien dagegen ein absoluter Neuzugang auf der Liste der gestohlenen Arten. „In Dithmarschen wurden eine Zeitlang Vögel aus Volieren freigelassen“, erinnert sich Sauerzweig-Strey an einen ähnlich skurrilen Fall und warnt selbsternannte „Tierfreunde“ vor unüberlegten Aktionen: „Meerschweinchen sind keine heimische Tierart, wer sie befreien will, tut genau das Falsche.“

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